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Jahrgang 1999
aus Miniaturbuch Journal Heft 2, 6. Jahrgang Was sind und warum sammelt man Miniaturbücher?
Unter diesem Arbeitstitel, angelehnt an das Thema von Friedrich von Schillers Antrittsrede in der Universität Jena im Mai 1789, bemühe ich mich
darum, das deutschsprachige Schrifttum über Miniaturbücher mit dem Ziel zu sichten, einiges über die Kulturgeschichte der Kleinbücher zusammenzutragen. Dabei konnte ich mich dankenswerterweise insbesondere auf das
"Archiv Medien über Miniaturbücher" unseres Sammlerkreises stützen. Ich möchte aber auch die Hilfe derer erbitten, die als Freunde des Miniaturbuchs Quellen kennen oder besitzen, die mir vielleicht unbekannt oder
nur schwer zugänglich sind. Zudem wird mancher Sammlerfreund Anregungen und Fragen haben oder Bild-Hinweise geben können, die meiner Arbeit förderlich sein könnten. Das Ergebnis aller meiner Mühe soll in Form eines
Miniaturbuches veröffentlicht werden. Folgender Textentwurf soll einen kleinen Eindruck davon vermitteln, wie ich das Thema zu bearbeiten gedenke - natürlich nach dem augenblicklichen Stand meiner Überlegungen.
Vom Namen
Das Miniaturbuch hat viele Namen: Buch klein(st)en Formats, Klein-, Kolibri-, Liliput-, Mikro-, Puppen- oder Zwergbuch. Der Brockhaus spricht in
seiner neuesten Auflage vom Minibuch, wohl in Anlehnung an die aus dem Englischen stammende Vorsilbe >mini-< (Kurzbildung zu >miniature<), wie sie sich in >Minigolf< und >Minirock< findet. Die großen
Sammlervereine in Berlin und Stuttgart haben sich jedoch für den Begriff >Miniaturbuch< entschieden. Unter einer Miniatur verstand man früher eine mit der Farbe Mennige kolorierte Initiale oder Titelzeile, heute eine
selbständige, nicht an eine Initiale gebundene figürliche Malerei in Farbe in einer mittelalterlichen Handschrift. Das Wort >Mennige< (Bergzinnober, rotes Bleioxyd) heißt im Lateinischen >minium<, Plural:
>minia<. Der Maler, zumeist ein Mönch, der mit minia- Farben arbeitete, hieß Miniator. Die meist sehr geringe Größe seiner Bilder hat dazu geführt, daß das von >minium< abgeleitete Wort >Miniatur< ganz
allgemein zur Bezeichnung von etwas sehr Kleinem dient, zum Beispiel: Miniaturausgaben von Büchern, Miniaturformat, Miniaturstaat. Seit dem 11. Jahrhundert wurde der Miniator auch >Illuminator< genannt, abgeleitet von
dem lateinischen Wort >illuminare<, erleuchten, Glanz verleihen. Hier liegt nicht die Sprachwurzcl des Wortes Miniatur - es müßte sonst >Minatur< heißen. Dasselbe gilt von dem lateinischen Wort für >das
Kleinste<, >minimum<, Plural >minima< es müßte sonst >Minimatur< heißen. In weiteren, der Miniaturbuchform angepaßten, also jeweils nicht langen Abschnitten, möchte ich mich beispielsweise mit folgenden
Gebieten beschäftigen: Miniaturisierung, Formate, Typen, Schönheit, Nutzen, Kuriosität, Geschichte, Sammler. Dr. Reinhold Janus, Kiel
aus Miniaturbuch Journal Heft 3, 6. Jahrgang Miniaturbücher - Leidenschaft des Sammelns
Der Sammler (bei den männlichen Bezeichnungen denken wir natürlich auch immer an die Sammlerinnen) kann Facharbeiter
oder Angestellter, Student oder Regierungsdirektor, ein Redakteur oder Bildender Künstler, ein Arzt oder Musikwissenschaftler, ein Gewerkschafter oder Unternehmer, ein Drucker oder Buchgestalter, ein Graphikcr oder ein
Buchbinder sein. Allerdings hat er sich auf Miniaturbücher spezialisiert. Der Sammler trägt mit einer mehr oder weniger großen Leidenschaft seine Objekte zusammen, denn Miniaturbücher zu sammeln ist eine Faszination, die
man nicht nur oberflächlich pflegt. Miniaturbücher haben Anziehungskraft und Intimität, sie führen zur Befriedigung der Sammlerleidenschaften. Sie begleiten Träumer in der Nacht, stapeln sich auf Schreibtischen, füllen alte
Setzkästen oder Regale, Vitrinen und sogar Bibliotheken. Eine Sammlung von Miniaturbüchern ist wie ein reizvoller, dekorativer, inhaltlicher und künstlerischer Magnetismus. Das Revier für die Jagd nach den Stücken, die noch
in seiner Sammlung fehlen, ist trotz aller Unkenrufe riesengroß, jedoch sehr stark von ähnlich Suchenden frequentiert. Wie alles echte Sammeln, entspringt dies zwei Trieben: Dem Spieltrieb und dem Erkenntnistrieb. Der erste
führt über das Geschmackliche, Ästhetisierende nahe vorbei an Snobismus - in den Bereich der Kunst. Der zweite über das fachliche Erfassen, Ordnen, Gliedern, Recherchieren und Zusammenfassen zur Wissenschaft. Die
Rechtfertigung für das Miniaturbuch liegt in den Tatsachen, daß so viele - talentierte Menschen es der Mühe wert gehalten haben, ihre besten kreativen und kunsthandwerklichen Kräfte seiner Herstellung zu widmen, und - immer
mehr Menschen es ebenso wie in der Vergangenheit - auch in der Gegenwart schätzen, lieben und daher sammeln. "Miniaturbücher können soziologisch zu den charakteristischen Endergebnissen, welche aus Künstelei und Suchen
nach neuen Empfindungen hervorgehen, gerechnet werden." So schrieb A. Tüneewa schon 1926 im "Zentralblatt für Bibliothekswesen". Ja, der Sammler von Miniaturbüchern zählt zu den Insidern, versteht etwas von
seinem Metier, gehört deshalb zu den Sehenden und wird auch fündig, weil er Kenntnisse von dem mitbringt, was er sammelt. Er weiß, manche Miniaturbücher kommen nicht in den Buchhandel und werden nur als Privatdrucke oder zu
Kongressen, Jubiläen, Olympischen Spielen oder Geburts- und Todestagen herausgegeben. Er ist bestens informiert, liest das "Miniaturbuch Journal" und andere Fachinformationen, die seine Sammlerthemen behandeln.
Seine Fachbibliothek enthält die wichtigsten Standardwerke, außerdem Ausstellungs- und Versteigerungs- sowie Verkaufs-Kataloge. Seine vieljährigen Erfahrungen haben aus ihm einen anerkannten, versierten Sammler, ja einen
Kenner gemacht, der gerne Anfängern und Neusammlern von seinem fundierten Wissen abgibt, kollegiale Ratschläge erteilt über das Wie, Was, Wann und Wo des Sammelns. Wollen doch alle Miniaturbuch-Sammler und -Sammlerinnen
ihre individuelle Lebenskultur erhöhen. Es ist bemerkenswert, daß die Sammler, ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht, vom Zauber der Miniaturbücher hingerissen werden - man kann fast von einer "Mikrobibliomanie"
sprechen. Miniaturbücher werden von ihren Besitzern natürlich weder zerrissen noch weggeworfen, sondern als Sammelobjekte erhalten. Deshalb sind dem Sammler auch Restauratoren und andere Spezialisten bekannt, die fast jeden
Schaden an einem Sammlungsstück nahezu unsichtbar und mit großem Sachverstand beheben. Weiß er einmal nicht weiter (was auch vorkommt), weil er überfragt ist oder sich wegen einer besonderen Objektqualität, vielleicht wegen
eines "stolzen Preises", scheut, sofort und alleine zu entscheiden, dann helfen ihm seine Experten. Immer mehr Sammler von Miniaturbüchern sagen sich, dies sei eine kluge Investition und gute Kapitalanlage. Um
Miniaturbücher tauschen zu können, braucht man gute Kontakte. Er kennt ein gutes Dutzend Sammler und Händler (manchmal sind sie beides) aus seinem Regionalbereich, hat im Kopf, was dieser oder jener besitzt und eventuell
abzugeben bereit ist. Wartet in diesem seinem Revier auf die "große Chance", die er sich aber auch an anderem Ort erhofft. So geht er regelrecht auf die Jagd nach seinen Exemplaren, die ihm in seiner Kollektion
noch fehlen. Eine Leidenschaft kann es werden - oft ist sie es auch. Der Senior der amerikanischen Microbibliophilen, Wilber M. Stone, sagte: "Der Virus der Sehnsucht Miniaturbücher zu sammeln, breitete sich in meinen
Buchadern aus und ich wurde zu einem hoffnungslosen Fall, zu meiner großen Zufriedenheit und Freude." Psychologen, die den Menschen so gerne analysieren, haben schon allerhand über ihn, den Sammler, ausgesagt:
Ersatzbefriedigung, Profilierungssucht, Machtanspruch, Fetischismus, Narren, Sklaven ihrer Leidenschaft. Der passionierte Sammler kompensiert, so sagen die Psychologen, mit seiner Leidenschaft die unstillbare Trauer über
einen Verlust. Man kann ruhig darüber streiten, der fundierte Sammler fühlt sich jedenfalls nicht angesprochen. Eine Überzeugung ist, so lange es Menschen gibt, die die kleinen Dinge lieben, so lange es Babys und Püppchen
und Kätzchen gibt, ist die Zukunft der Miniaturbücher hell und glänzend, sie wird kontinuierlich wachsen! Auch wenn süffisante Spötter bei der konstanten Wohnungsnot behaupteten, Miniaturbuch-Sammler sind Jünger des
"Buches für die Neubau-Sozialwohnung".Eines aber gibt uns das Hobby des Sammelns, es erfreut und beruhigt, es läßt einen Teil unserer Freizeit sinnvoll erscheinen. Damit sind wir anderen, die nicht sammeln, weit
voraus. Sammeln aber kann Ausgleich schaffen, ähnlich wie dies andere Hobbys auch tun. Als positiver Faktor des Sammelns kommt noch hinzu: Es kann uns Menschen beeinflussen, weil wir Exemplaren nachlaufen, sie erstehen und
aufheben, die von Menschen gefertigt sind, die Menschen irgendwann einmal umgeben haben und ihnen Dienste leisteten. Wer an die Ausstattung der Miniaturbücher früherer Jahrhunderte denkt, bekommt ein wenig Sehnsucht nach
Vergangenem, Nostalgie? Heute Miniaturbücher sammeln - ein kostbarer, beruhigender und erfreuender Ausgleich in einer Zeit, wo Mikroprozessoren, Tele- und Videospiele, die Multimedia dem Menschen viel von seinen Träumen und
Phantasien genommen haben. So gesehen, besitzen die von ihr oder ihm zusammengetragenen Exponate doppelten Wert, wobei die ideelle Bedeutung die monetäre bei weitem übersteigt. Heinz Müller, Stuttgart
aus Miniaturbuch Journal Heft 4, 6. Jahrgang Gotische Miniatur-Handschrift aus dem 13. Jahrhundert
Das "Augustinian Breviary", ist eine gotische Pergament-Handschrift in latein mit Buchmalereien. Hergestellt
in Flandern, vermutlich in Tournai in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Das Miniaturbuch umfaßt 289 Blätter, im Format 49 x 70 mm, der Satzspiegel beträgt 27 x 42 mm und besteht aus 16 Zeilen in schwarz und
braun. Der Text ist in sehr schmaler Gotik geschrieben, die Überschriften sind in rot, das Kalendarium in rot und schwarz mit Kapitale in blau. Die Initialmalerei ist zweifarbig in rot oder blau mit dekorativer Verzierung
über die Höhe der Seite, zwei Zeilen leuchtende Initiale mit aufgetragenem Blattgold auf blauem Grund. Heinz Müller, Stuttgart
aus Miniaturbuch Journal Heft 4, 6. Jahrgang Seltenes Miniaturbuch aus dem 17. Jahrhundert
Lobwasser, Ambrosius: "Psalmen Davids, nach Französischer Melodey in teutsche Reimen gebracht";
Luther, Martin: "Geistliche Lieder und Kirchengesänge, Wie die in Evangelischen Kirchen dieser Landen gesungen werden", beide Dantzig, A. Lobwasser;
Luther, Martin: "Schöne tröstliche und Einbrünstige Gebetlein, aus H. Göttlicher Schrifft geno(m)men, un(d) auff alle Tage in der Wochen
eingetheilet, Morgens und Abends zu sprechen. Samt andern schönen Gebetlein", Dantzig, Andreas Schimmel, ca. 1660.
Drei Bände in einem Buch, 47 x 73 mm. Musiknoten im ersten Band. Ornamental schön geprägter Ledereinband mit zwei Silberschließen und mit
gepunztem Rund-Goldschnitt. Es gehört zu einer ganz kleinen Serie von extrem raren Miniaturbüchern, die von Andreas Schimmel in Dantzig verlegt wurden. Die ersten Übersetzungen der Psalmen von Lobwasser gehen auf das
Jahr 1573 zurück. Die Asher Rare Books in Ijmuiden, Niederlande, hatten dieses Exemplar in einem Antiquariatskatalog von 1998 zu 3.250 DM ausgeschrieben.
Heinz Müller, Stuttgart
aus Miniaturbuch Journal, Heft 4, 6. Jahrgang
Der kleinste, mit freiem Auge lesbare Dante
Es ist dies nicht der Ort, eine Geschichte der "mikroskopischen" Editionen zu schreiben, auch beabsichtigen
wir nicht, eine mikroskopische Ausgabe der "Divina Commedia" zu machen, diesen Ruhm überlassen wir anderen, kleineren Editionen, die man wahrlich nur mir einem Vergrößerungsglas lesen kann. Wir hingegen wollten
"den kleinsten, mit freiem Auge lesbaren Dante" schaffen. Wir anerkennen, daß diese Ausgabe trotz ihrer Lesbarkeit vor allem eine bibliographische Kuriosität ist, aber wir sind zuversichtlich, daß wir über den
Beifall der Liebhaber hinaus auch die Zustimmung der Danteliebhaber erhalten werden, denn diese Ausgabe der "Divina Commedia" kann sie wirklich überallhin begleiten und zu jedem Zeitpunkt gelesen werden; deswegen
hielten wir es für angebracht, sie als "Vade-mecum-Ausgabe" (Taschenbuchausgabe) zu bezeichnen. Wenn wir uns nicht zur Auflage gemacht hätten, eine absolute Lesbarkeit zu gewährleisten, hätte man das Format
beträchtlich verkleinern können bis zur Größe einer Briefmarke; um dies zu erhalten, hätten wir keine beweglichen Lettern einer Schriftgröße verwenden können, diese hätte man nicht gießen und setzen können, sondern man
hätte eine Seite des normalen Formats bis zur kleinstmöglichen Dimension mittels fotomechanischer Prozesse verkleinern müssen. Die Seite im Original maß 50 x 87 mm und die Schrifttype, in welcher sie gesetzt war, hat eine
Größe von 6 Punkt. Wir streben nicht nach großem Lob für diese Sache, ist die Idee dazu doch alles andere als neu und bereitet auch deren Ausführung in unserer Zeit keine großen Schwierigkeiten. Hingegen verdienen es die
Namen derjenigen, in Erinnerung gerufen zu werden, die an dieser Aufgabe gearbeitet haben, es sind dies der Setzer Tullio Favilli und der Lektor Dante Mannelli, welche keine Störungen ihrer Sehfähigkeit erlitten; und auch
wenn dies den Ruhm der Ausgabe vom Standpunkt des bibliographischen Fanatismus aus schmälert, so ist es hingegen eine wertvolle Garantie für die Augen der Leser. Außerdem verdient es der Name des Druckers Pietro Fantechi
und jener des Buchbinders, des bekannten A. Staderini, erwähnt zu werden. Dieser kleine Band kann daher als echt italienisches Produkt bezeichnet werden, aber die Wahrheit und die Gerechtigkeit verlangen es, daß auch die
Gießerei Flinsch aus Frankfurt am Main ihren Anteil am Verdienst hat. In dieser Fabrik wurde der Schrifttyp gegossen, welcher zum Setzen dieses Textes und des Vorwortes verwendet wurde: es sit eine 4-Punkt-Schrift, welche
die deutsche Fabrik in ihrem Musterkatalog auf den Namen ,Diamant Antiqua' getauft hat. Mit der Publikation dieses Bändchens während der Nationalausstellung in Turin, die den 50. Jahrestag der Verfassung feiert und wo
die Künste und die italienischen Industrien zusammenkommen, wollten wir im Namen Dantes versuchen, einige technische Schwierigkeiten zu überwinden, die nicht unüberwindbar waren, aber auch, um es mit unserem Autor zu sagen,
nicht auf die leichte Schulter genommen werden können und auch nichts mit Gewinnstreben zu tun haben. Wir haben mit Kritiken und Vorwürfen gerechnet, aber uns ermunterte die Ansicht, daß es auch uns Druckern manchmal
gestattet sein sollte, uns mit unserer Kunst zu unterhalten und die kürzlich gemachte Bemerkung unseres angesehenen amerikanischen Kollegen, T. De Vinne aus New Yorck, die übersetzt wie folgt lautet: "Trotz aller
Proteste wegen der Kleinheit und den Schaden, die sie der Sehfähigkeit zufügen können, finden und werden die Miniatur-Bücher und die mikroskopischen Drucke großen Gefallen finden."
Florenz, April 1838 - Die Druckerei Barbera
Übersetzung von Dr. Reinhold Janus, Kiel
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Jahrgang 2000
aus Miniaturbuch Journal, Heft 1, 7. Jahrgang Die Welt im Kleinen fesselt die Phantasie
In Jonathan Swifts Königreich Liliput bestand der Kunstgriff darin, durch die Verkleinerung dem Alltäglichen, dem
Bekannten und Vertrauten wieder Interesse zu verleihen, durch die Methode der Verfremdung, die Aspekte unserer Wirklichkeit umso schärfer zu beleuchten. Man könnte es den GulliverEffekt nennen: Die Welt im Miniaturbuch, im
Kleinen fesselt die Phantasie, weckt Entdeckerfreude und Neugierde, macht empfindsam. Miniaturen laden zum Staunen ein, wollen in die Hand genommen und pfleglich behandelt sein. Sie verlangen konzentrierte Aufmerksamkeit
und liebevolle Hingabe zugleich. "So lange es Menschen gibt, die die kleinen Dinge lieben, so lange es Babys und Püppchen und Kätzchen gibt", schreibt Heinz Müller im Miniaturbuch Journal, ist die Zukunft
der Miniaturbücher hell und glänzend, sie wird kontinuierlich wachsen. Die Sammler erfahren, wie ein Miniaturbuch gestaltet, gesetzt, gedruckt und gebunden wird und viel über die anspruchsvolle handwerkliche Kunst des
Buchbindens, über höchste grafische Perfektion, typografisches Können, Kreativitit und Liebe zum kleinsten Detail. Ein Miniaturbuch in den Händen zu halten, es zu lesen, kann uns an die Grenzen unserer Sehfähigkeit führen.
Oft ist das Lesen nur noch mit einer Lupe möglich. Miniaturbücher faszinieren, weil sie förmlich kurz vor dem Verschwinden von uns in Besitz genommen werden. "Für den Sammler bedeutet der Besitz das allertiefste
Verhältnis, das man zu Dingen Oberhaupt haben kann. Er selbst ist es, der in ihnen wohnt", schreibt Walter Benjamin in seinem Essay Ich packe meine Bibliothek aus. Eine Rede über das Sammeln. Etwas zu sammeln
stellt also zunächst einmal eine ganz individuelle private Handlung dar. Immer, so möchte ich behaupten, hängt das Sammeln mit der eigenen Biografie zusammen, heißt, ein Lebenswerk zu schaffen, etwas Unverwechselbares und
Einmaliges gegen die Vergänglichkeit zu setzen. Auch die persönliche Erinnerung spielt bei dem von Walter Benjamin beschriebenen "allertiefsten Verhälnis des Sammlers zu den Dingen" eine wichtige Rolle. Die
Erinnerung macht das Sammelobjekt zu einer individuellen Kostbarkeit: Die Reise zu einem möglichen Fundort, das Suchen, das Entdecken und der Erwerb. Beobachtet man einen Sammler, wie er ein Sammelobjekt in den Händen hält
und inspiriert durch dieses hindurch in die Ferne schaut, so könnte man auch von der magischen Seite des Sammelns sprechen. Wie kommt es dazu, daß jemand Miniaturbücher sammelt? Hier muß von der Leidenschaft des Sammelns
gesprochen werden: Sammler sind für Honoré de Balzac "die leidenschaftlichsten Menschen, die es auf der Welt gibt". Es sind Kenner und Besitzende, die mit großer Liebe und Stolz ihre unvergleichlichen Schätze
zusammentragen. Das Sammeln ist beschreibbar als eine Art "Beutemachen", also Jäger sein. Nicht von den frühen Stadien der Menschheitsgeschichte möchte ich reden, in denen sich das Sammeln auf die das Leben
sichernde Vorratswirtschaft konzentrierte und in kultischen Handlungen eine Rolle spielte, sondern von der Geschichte des Sammelns als eines gleichbleibenden Verhaltens gegenüber verschiedenen Gegenständen: Sammeln bedeutet
immer recherchieren, auswählen, fachliches Erfassen, ordnen und präsentieren. Entscheidend für die Geschichte des Sammelns ist dann natürlich auch der Umstand, daß die Tätigkeit des Sammelns überhaupt erst Geschichte
konstituieren hilft. Wie ließe sich eine Geschichte des Plakates, eine des Spielzeuges oder des Wohnens schreiben, ohne daß es Menschen gäbe, die sich der, manchmal auch achtlos weggeworfenen Dinge des täglichen Gebrauchs
annähmen? Das Ansammeln solcher Schätze, wie wir hier sehen, bedeutet nicht nur vielfältige Befriedigung, spielerische Freude, Faszination, ein beeindruckendes ästhetisches Erlebnis, sondern stellt einen kulturgeschichtlich
wichtigen Fundus dar. Miniaturbücher, ein Spezialgebiet der Druckkunst, werden von Kunsthistorikern wissenschaftlich bearbeitet. Es gibt Bibliografien, u. a. auch von Herrn Müller herausgegeben. Museal präsentiert, regt
eine Miniaturbuch-Ausstellung zu einem vergleichenden Sehen an, macht neugierig auf den vor uns verborgenen Inhalt. Als bibliophile Sammelobjekte, zum Teil könnte man auch von Kunstobjekten sprechen, sind sie dem Zugriff
der Hand entzogen und verweisen den Betrachter auf das Schauen und Staunen. Weltliteratur en miniature. Verkleinerung, die verfeinert und sensibilisiert. Und wenn "Bücher wie Schiffe sind, welche die weiten Meere der
Zeit durcheilen" (Francis Bacon), so wünsche ich allen Sammlern von Miniaturbüchern einen guten Kurs und vor allem keine Windstille.
Dr. Heiderose Langer, Velbert
aus Miniaturbuch Journal, Heft 2, 7. Jahrgang Handwerkliche Kunst der Miniaturbücher
Miniaturbücher waren in ihrer Geschichte immer auch Musterbeispiele hoher Buchkunst und Buchkultur, man bewunderte
respektvoll die Kunstfertigkeit ihrer Schöpfer und ihre gefertigten Kostbarkeiten. Das kunstvolle Binden und die künstlerische Verzierung der Einbände von Miniaturbüchern galten oft als besondere Gesellen- oder
Meisterstücke.Deshalb nannte man solche Miniaturbücher auch Meisterwerke der Druck- und Buchkunst oder auch Schmucksachen der Bibliographie.
Handwerkliche Kunst Die buchkünstlerische
Gestalt des Miniaturbuches erwartet allerdings als erstes Erfordernis die Ästhetik und damit die geeignete Proportion des Formates neben der inhaltsgerechten Typographie. Beide Elemente bestimmen auch heute wesentlich die
Schönheit einer Ausgabe. In der Herstellung von Miniaturbüchern hat sich manches an Handwerklichem bewahrt, das in der massenhaften Buchproduktion unserer gegenwärtigen Zeit überhaupt keine Beachtung mehr findet. Als der
Besitz von Büchern noch eine kostbare Rarität war, wurden beispielsweise im 16. und 17. Jahrhundert Buchschließen oder Buchspangen sowie Knüpf-Bände mit Sehnenschlingen verwendet. Diese waren nicht nur zur Zierde
gedacht, sondern üblich und notwendig um das Eindringen von Feuchtigkeit in den Buchblock zu verhindern. Metallbeschläge an den Ecken der Decken waren Kantenschutz und dienten gleichzeitig zur Durchlüftung der Bibliotheken,
weil die Bücher zuerst liegend aufbewahrt wurden. Bücher kamen in Lederfutterale, an deren Schmalseiten Ösen zum Durchziehen der Riemen vorgesehen waren. So wurden sie auf längeren Wegstrecken und beim Kirchgang getragen,
auf Reisen, usw. Die Weiterentwicklung dieser Sitte führte später zum Buchbeutel oder Beutelbuch.
Technische Entwicklung Die Schrift-Schneider
und -Gießer sowie die Buchdrucker wollten Geschicklichkeit und Leistungsfähigkeit für das kleine Format beweisen und Eigenartiges bieten, das ja immer Liebhaber findet. Bedeutende Entwicklungshelfer waren dabei berühmte
Buchdrucker und Verleger wie Brindley, Elzevier, Enschede in Holland, Etienne und Didot in Paris, Froben, Gnochi, Pikkering in Großbritannien, Plantin in Antwerpen, Saimin in Padua sowie Schmidt & Günter in Leipzig. Sie
trugen bis in den Anfang unseres Jahrhunderts ganz entscheidend zur Entwicklung des Miniaturbuches bei. Sie wurden ergänzt durch den Wetteifer bei der Herstellung verwendbarer Papiersorten und Druckfarben. Dem Wettbewerb
und Wettkampf der Schriftschneider und Druckereien folgten die Buchbinder. Ihnen standen durch die Jahrhunderte auch Silber- und Goldschmiede, Gürtler, Maler und Bildhauer bei. Die Kunst der Lithographie, die Anfang des
19. Jahrhunderts entstand, und die Möglichkeit der photomechanischen Verkleinerung gegen Ende dieses Jahrhunderts machten die zunehmenden Miniaturbücher erst populär. Der Wandel ihrer Herstellung reichte von der
Handschrift über den Holzschnitt zum Kupferstich, vom Handsatz zum Stein, war autographiert, lithographiert, später photomechanisch verkleinerte Bilder wurden bis ins Jahr 1874 gestochen, später über Photos vom Stein
gedruckt, dem angefertigte Autotypien (Klischees) folgten. Bis spät in das 19. Jahrhundert hinein war die Herstellung eines Buches reine Handarbeit. David Bryce in Glasgow druckte dann als erster viele tausend
Exemplare Miniaturbücher und konnte so die Preise von Pfund auf Shilling reduzieren. Damit wurden Bücher für jeden aus der Mittelklasse und selbst für viele Haushalte der arbeitenden Bevölkerung erschwinglich.
Variable Einbände Die Handarbeit führte auch
zur Ungleichheit der Buchformate desselben Titels. Die mit der Handarbeit verbundene Kreativität der Gestaltung und der Materialauswahl mündete in einem breiten Sortiment der unterschiedlichen Einbände: Holz, Birkenrinde,
Schweins-, Kalb-, Schafs-, Ziegen-, Saffian-, Lack-, Eidechsen-, Schlangen- und KunstLeder, bemaltes Leder oder geflammte Lederdecken, Pergamente, Fischhaut, Schildplatt, Perlmutt, Elfenbein, Bronze, Zinn, Kupfer, Silber,
Gold, Metall- und Perlen-Stickerei, Messing-Beschläge, -Schließen und -Spangen, geschnürte Einbände, Beutelbücher oder Buchbeutel, Leinen, Seide, Samt, Handstickereien, Holz- und Stroh-Intarsien, Porzellan, Emaille und
Kunststoffe.
Sinn der Miniaturbücber Das Miniaturbuch galt
als technisches Experiment, als ein Zeichen technischer Disziplin, von dem man sich Ausstrahlungskraft versprach. Im Literarischen galt es als Probierfeld. Beiden Absichten war die Überlegung gemeinsam, das Miniaturbuch
könnte Nährboden für die Liebe zum Buch überhaupt sein oder werden. Miniaturbücher sind weder nur Modeerscheinungen noch Spielerei, weder nur ein bibliophiler Seitensprung noch allein eine Kuriosität. Es sind auch
Gebrauchsbücher, Bücher in besonderem Format und mit guter bis schöner Ausstattung. Heute sind mögliche Funktionen des Miniaturbuches, innerhalb einer hochindustrialisierten und automatisierten Massen-Buchproduktion, als
Reizgegenstand für akkurate Verarbeitung, Zeugnisse von handwerklichem Können im wahrsten Sinne des Wortes, Förderer von gutem Geschmack, Anreger von Buchkunst und Beispiel für Regeln höchster Kunstfertigkeit.
Klein, aber fein,das ist der Reiz der Miniatur Dem
Miniaturbuch wurde schon oft mit allerhand Prädikaten geschmeichelt: Die große Welt der kleinen Kostbarkeiten, Große Kunst im Kleinformat, Große Worte im Kleinstformat, Kleinodien, Kostbarkeiten oder Meisterwerke der
Buchkunst, Exklusive Minimales. Phantasievoll wurde ihre Größe oder Kleinheit beschrieben: Buch als Däumling, Bücher für die Westentasche, Bücher kleinen Formats, Bücherzwerge, Däumlinge des Büchermarkts, Das Wort in
Miniatur, Die großen Kleinen, Die Kleinformatigen, Druck kleinsten Formats, "Faust" im Daumenformat, Kleine Bücher ganz groß, Kolibris der Buchlandschaft, Mikroskopische Drucke, Liliputaner unter den Büchern,
Zierliche der Literatur, Zwergbücher, Zwerge Gutenbergs. Oft vom Verwendungszweck bestimmt waren die folgenden Bezeichnungen: Bibliothek in der Streichholz-Schachtel, Daumenkinos, Hand-Bücher, Handlichkeit, Kleine
Bibliothek in der Hand, Liliput-Bücher, Postkutschen-Ausgaben, Puppenbücher, Reisebibliothek, Reiseutensil, Schülerhilfe oder Sammlerkleinod. Von der Akzeptanz bis zur Skepsis reichen die folgenden Wortschöpfungen:
Absonderliche Buchform, Bibliothek in einem Aktenkoffer, Exemplarisches Beispiel für Materialeinsparung, Lesen mit dem Vergrößerungsglas, Literatur für Sozialwohnungen, Mehr als Spielzeuge, Neckische Kleine, Seltsame
Buchformate, Seltene Drucke, Winzige Druckwerke.
Kritiker Kritiker nennen das Miniaturbuch
einen teueren Kastraten, seine Sammler bezeichnen sie als biblioman. Die andere Seite, nämlich die Sammler antiquarischer Ausgaben, sprechen vom kostbaren Kleinod und möchten gerne als bibliophil gelten. Ein bedeutender
Kritiker hat einmal festgestellt: "Miniaturbücher sind Grillen aus dem Reich der Bücher, die in immer größeren Schwärmen in das weite Feld des Buchhandels eindringen". Wie sagte doch der bekannte amerikanische
Microbibliophile Wilber M. Stone? "Der Virus der Sehnsucht, Miniaturbücher zu sammeln, breitete sich in meinen Buchadern aus und ich wurde zu einem hoffnungslosen Fall, zu meiner großen Zufriedenheit und Freude."
Heinz Müller, Stuttgart
aus Miniaturbuch Journal, Heft 4, 7. Jahrgang Miniaturbücher oder Almanachs in Silber-Einbänden
Wie die "Miniature Book News"aus St. Louis berichtete gibt es vier in Sterling Silber gebundene englische
Miniaturbücher aus der Smiths'-Sammlung: "Royal Pocket Diar" von 1905, "The Book of Common Prayer" von 1904 und das "The Royal Bijou Birthday Book" aus dem Jahre 1900 sowie einen silbernen
Talisman mit "Goldenen Regeln". Aus Österreich ist das kleinste "Wiener Kochbuch" bekannt, das 1902 verlegt wurde und das Format von, 21 x 25 mm aufweist; so informierte die Zeitschrift
"Mikrobibliofilok" aus Budapest. Außerdem veröffentlichte sie eine Armkette mit sieben 18 karätigen englischen Berlocken oder auch Miniaturbücher, in den Formaten zwischen 16 x 24 mm und 20 x 25 mm; sie gehören
alle zur Sammlung von Mr. Fiechter in London. Das "Miniaturbuch Journal" aus Deutschland informierte seine Leser über "London Almanacks" in Schatullen aus Silber- oder Goldfiligran. Einige stammen
aus dem 18. Jahrhundert. Der "London Almanack for the Year 1770" mit Kupferstichen, geprägten Ecken auf dem Titel, Einband original rotes Marocco-Leder mit Goldprägung, in feiner Silberfiligran-Schatulle, 34 x 55
mm, wurde im November 1999 bei einer Auktion in London auf £ 300-400 taxiert und erlöste £ 4.370. Der "London Almanack for the Year 1785", mit Kupferstichen, geprägter Titel, Einband original rotes Marocco-Leder
mit Goldprägung, vertikalen Pergamenteinlagen und blau bemalten Panelen, in feiner Silberfiligran-Schatulle, 33 x 58 mm, erlöste bei der gleichen Auktion entgegen dem Schätzpreis die Summe von £ 45.000! In den Jahren von
1836 und 1843 erschienen regelmäßig solche Almanachs.
aus Miniaturbuch Journal, Heft 1 bis 4, 7. Jahrgang Kleine Bücher bereiten oft große Freude
Miniaturbücher im Licht der Geschichte Die
Miniaturisierung hat ihren weltweiten Siegeszug angetreten und vor Büchern und Bibliotheken nicht haltgemacht. Elektronik vor allem ermöglicht es besser als bisher, den Schatz der Weltliteratur auf kleinstem Raum zu
speichern und wieder lesbar zu machen. Kleinste Bücber aber waren schon vor der Elektronik da. Zweckmäßigkeit drängt die Schönheit manchmal in den Hintergrund. Die natürliche Freude des Menschen an allem Schönen gibt der
Miniaturisierung neue Reize. Deshalb haben das ästhetisch gestaltete, schöne Miniaturbuch oder das viel genutzte Kleinstwörterbuch seine Berechtigung. Miniaturbücher können gelesen werden, bibliophile Kostbarkeiten sein,
Sammler erfreuen, einen Gebrauchszweck erfüllen und bis zum kleinsten Format die Freude des Menschen am Schönen bestätigen. Jede Menschheitsepoche hat dem Miniaturbuch Aufmerksamkeit geschenkt. Teils erlebte es eine
modische Hochblüte, teils geriet es in Vergessenheit. In der Mehrheit bot es lesbaren Text im kleinen Format und fand massenweise Verbreitung; in einigen Ausnahmen wurde es zum verkitscht wertlosen Souvenir.
Mintaturbücher - kein Selbstzweck Aber viele
beständige bibliophile Leistungen zeugen von der Kunstfertigkeit der Schriftgießer, Setzer, Drucker und Buchbinder und erheben es zur Kostbarkeit. Ganz selbstverständlich bevorzugte jede Gesellschaft die meist gelesene
Literatur ihrer Zeit, um sie in Miniaturformen aufzulegen. Relativ selten sind Originalausgaben, die in keinem anderen Format zu finden sind. So bietet das Miniaturbuch eine Fülle von Freuden und Entdeckungen all jenen, die
es im Bestand des Buchwesens bestätigt sehen möchten. Wenn die Herausgabe von Miniaturbüchern sorgfältig erwogen wird, nicht Selbstzweck bleibt, sondern verlegerische Absicht beweist, sind bemerkenswerte Leistungen des
Druckgewerbes ihren Schöpfern schönster Lohn. Beispiele dafür gibt es in allen Literaturbereichen.
Geschichtliche Entwicklung Eine vollständige
Übersicht der seit Jahrhunderten erschienenen Miniaturbücher existiert nicht, obwohl Kleemeier 1906 den Versuch machte, alle seit 1492 erschienenen Objekte nach Erscheinungsjahren zu erfassen. Deutsche Miniaturbücher der
vergangenen Jahrhunderte stellt Heinz Müller, Stuttgart, in einer Fortsetzungsreihe im "Miniaturbuch Journal", dem offiziellen Organ des Sammlerkreis Miniaturbuch, Stuttgart, vor. Mit Sicherheit kann angenommen
werden, daß in fast allen Ländern und Kulturen das Mirüaturbuch eine Tradition hat, aber nur aus wenigen Ländern sind Übersichten bekannt geworden. Miniaturbücher leiteten ihre Existenz zu allen Zeiten aus sozialen
Erfordernissen ab. Neben der bibliophilen Ausgabe findet das kleinformatige Gebrauchsbuch seinen Platz.
Altertum Plinius berichtet, daß Cicero eine "lllias" von Homer gekannt habe, die als dünne Pergamentrolle mit mikroskopischer Handschrift in einer Nuß-Schale Platz fand.
Mittelalter Handgeschriebene Rollen und Bücher
bis 50 mm Höhe haben an Fürstenhöfen und Klöstern eine sozial bestimmte Funktion als Taschenausgaben. Liturgische Texte, Gebetbücher, und -Sammlungen, Kalender und galante Schriften herrschen vor, zum Beispiel die
Handschrift eines illustrierten Stundenbuches (50 x 50 mm) der Königin von Neapel.
15. Jahrhundert Seit Gutenbergs Erfindung
beginnen auch die Drucker kleine Bücher mit den vorhandenen gotischen Lettern zu drucken. Religiöse Texte werden größeren Volksschichten erschlossen, dem Gelehrten die klassische Literatur. Erhaltene Miniaturinkunabeln
zeigen, daß nur wenige Worte und Zeichen Platz finden. Das Mainzer "Diurnalium" mit kleiner gotischer Schrift von beweglichen Lettern von Peter Schöffer, im Format 65 x 94 mm gedruckt, war vermutlich die erste
Miniaturinkunabel. Weitere dieser Art entstanden in Köln, Venedig, Mailand, Basel und Paris. Mehrfach erschien das Gebetbuch "Horae Beatae Mariae Virginis", das der mährische Buchdrucker Matwei in Mailand im
Format 70 x 100 mm, Satzspiegel 40 x 62 mm, druckte.
16. Jahrhundert Die Einführung zierlicher
Schrifttypen und des Oktavformats öffnen dem gedruckten Miniaturbuch neue Möglichkeiten. Religiöse Schriften und lateinische Klassiker sind gebräuchliche Themen der Drucker. Aldus Manutius führt die Kursivschrift ein, die
einen schmaleren, kleineren Kegel erlaubt; das Oktavformat wird gebräuchlich. Er druckt das griechische Stundenbuch im Format von 51 x 83 mm. Viele Miniaturausgaben im Format 70
bis 80 mm Höhe erscheinen in den Folgejahren und sind wesentlicher Bestandteil protestantischer Gottesdienste.
17. Jahrhundert Die Möglichkeit, kleinere
Schriftkegel zu verwenden, weckt die Freude an kleineren Büchern mit mehr Text je Seite, die als Gebrauchsbuch und Standessymbol gelten. Psalmen- und Liederbücher, klassische Texte und Autoren der Zeit werden bevorzugt in
Formaten unter 90 mm gedruckt, besonders in England und Holland. 1616 wird das "Verbum sempiterum" von John Taylor in London im Format von 36 x 41 mm gedruckt. Der Schriftgießer und Drucker Jean Jannon, Sedan,
verwendet 1625 die Kleintype "La petite Sedanoise" (5,5 Punkt) und druckt "Vergil Poeme" und 1636 den "Psalter" im Format 30 x 50 mm.
18. Jahrhundert Gut ausgestattete Serien
von kleinformatigen Büchern erscheinen. Literarische Almanache, Kalender und Kinderbücher, aber auch unlesbare Souvenirausgaben gelangen zum Angebot. Erste Miniaturausgaben erscheinen in Rußland. Dem "Höfischen
Kalender" folgen in Rußland weitere Prachtausgaben, unter anderen 1744 ein Monatskalender aus Petersburg im Format 21 x 32 mm in Kupfergravur. 1750 wird "Kern des Bybels" mit sieben Holzschnitten 29 x 46 mm
in drei Ausgaben verbreitet. Bei J. H. Hesse in Halle erscheint 1769 eine "Biblia" (25 x 36 mm). Um dieselbe Zeit beginnt Gottfried Vetter in Magdeburg, religiöse Schriften im Format 47 x 75 mm herauszugeben.
"Geschmückte Handkalender" im Format 36 x 42 mm werden 1766 in Leipzig gedruckt.
19. Jahrhundert Zunehmend finden
Miniaturausgaben Verbreitung als Folge der Entwicklung des grafischen Gewerbes. Schriften von vier bis fünf Punkt sind gebräuchlich. Mitte des Jahrhunderts finden fotomechanische Druckverfahren neben dem Druck von der
Satzform Verwendung und gestatten hohe Auflagendrucke und maximale Verkleinerungen. Im Verlag Otto Lenz, Leipzig, erscheint 1878 die "Salon-Bibliothek" (Klassiker, Lyrik u. a.) im Format 58 x 88 mm. Bis 1880 lagen
32 Bändchen vor.
20. Jahrhundert Miniaturbücher werden mit
vielfältigem Inhalt aus allen Bereichen der Gesellschafts- und Naturwissenschaft, der Belletristik und als Wörterbuch herausgegeben. Der Druck von der bleigebundenen Satzform steht neben dem fotomechanischen Druckverfahren.
Neben lesbaren Ausgaben werden mikroskopische Drucke produziert. Im Zusammenhang mit der Miniaturisierung in Wissenschaft und Technik wächst um 1960 das Interesse an kleinen Büchern erneut an. Der 1872 in Leipzig gegründete
Verlag Heinrich Schmidt und Carl Günther bringt im Verlauf von 1907 bis 1925 rund 32 Titel der "Liliput-Bibliothek" und 123 verschiedene "Liliput-Wörterbücher" heraus. Ausgaben von Goethe, Schiller,
Heine, Lessing, Shakespeare, Hölderlin erscheinen in gut lesbarem Druck (Format 33 x 40 mm, 17 Zeilen im Satzspiegel von 25 x 38 mm). Es werden Ledereinbände oder Kalikodecken für Titel mit bis zu 1000 Seiten Umfang
hergestellt. Gedruckt wurde bei 0. Brandstetter und der Offizin Haag-Drugulin, Leipzig, in Auflagen zwischen 10 000 und 20 000 Exemplaren. Zwischen 1900 und 1940 gibt der Verlag C. Bange, Leipzig, die "Kleine
Bibliothek" heraus (60 x 90 mm, broschiert, mindestens 48 Seiten). Mehrere hundert Themen zur Geschichte und Literatur sowie Grammatiken sind erschienen. Während des Zweiten Weltkrieges erscheinen in verschiedenen
Ländern Miniaturbücher für die Soldaten. In den ersten Jahren der Nachkriegszeit werden in Moskau Parteimaterialien in hohen Auflagen gedruckt. Zum Beispiel Parteitagsbeschlüsse 1947, 64 x 92 mm. Zu den ersten
belletristischen Ausgaben zählt Zaks, Am Meer - Poem" mit 10 000 Exemplaren im Format 74 x 100 mm. In Ungarn wird 1957 eine Miniaturausgabe des "Dekameron" in zwei Bänden (50 x 65 mm, 15 00Exemplare) verlegt.
Zur Internationalen Buchkunstausstellung 1959 erscheint in Leipzig das "Kommunistische Manifest" (38 x 48 mm). Druckerei vieler Miniaturbücher war der Graphische Großbetrieb Offizin Andersen Nexö, Leipzig. Der
Odeon Verlag, Prag, bringt viele, hervorragend illustrierte Miniaturausgaben in der Tschechoslowakei heraus.
Winzigkeiten 1971 gibt der Verlag Edition in
Leipzig das "Bilder-ABC" in Format 2,5 x 3 mm als kleinstes Buch der Welt im Auflagendruck heraus. Eine Meisterleistung wenn man bedenkt, daß die Drucke von den Klischees für diese Winzigkeiten auch noch zu einem
Buch gebunden wurden. 1980 wurde der Winzigkeitsrekord in Japan unterboten. Das Guinness-Buch der Rekorde führt als das kleinste Buch der Welt die 20seitige Kindergeschichte "Ari" aus Tokio, die nur 1,4 x 1,4 mm
beträgt. Die Auflage betrug 200 Stück. Genauso klein, aber nicht bei Guinness verzeichnet, ist das 1981 erschienene "Lords Prayer" der Toppan Printing Company, Tokio.
Formatbereiche In der Öffentlichkeit wird
häufig der Begriff "Miniaturbuch" für die Kleinstausgaben benutzt. International gibt es keine einheitliche, exakte Abgrenzung für die Größe bibliophiler Besonderheiten. Im allgemeinen werden als handhabbare
Bücher im Standardformat nur Objekte zwischen minimal 100 mm und maximal 400 mm in Höhe und Breite anerkannt. Das Format für die Zuordnung als Miniaturbuch galt deshalb auch lange Zeit bei einem Buchblockformat von
maximal 100 mm. Die obere Grenze ist heute eher bei 76 mm zu sehen. Die beliebteste, noch lesbare Grenze liegt bei 40 mm. In Ungarn ließ man Formate bis 80 mm gelten. Lesbarkeit und Anschaulichkeit, eine Schriftgröße von
mindestens fünf typografischen Punkten und ein Format, das 30 x 40 mm nicht unterschreitet, sind wünschenswert für ein schönes Miniaturbuch. Daß solche Exemplare in Mindestauflagen industriell gefertigt sind, ist eine
weitere Bedingung für die Klassifizierung. Einzelexemplare haben sicher einen genauso großen Wert als Kuriosität wie die Winzlinge, die man aber eigentlich nicht mehr benutzen bzw. handhaben kann. Werden Inhalt und Form der
Miniaturbücher gut aufeinander abgestimmt, dann entstehen kleine Kostbarkeiten, die Genuß beim Lesen bereiten und mit denen man auch Sammler und andere Menschen überraschen kann. Es ist ein Vergnügen, Miniaturbücher zu
besitzen, eine Freude, sie zu verschenken. Der Buchhandel bietet viele Titel von zahlreichen Verlagen zu allen Themen des Lebens. Auch im Mainzer Gutenberg-Museum kann man Winzigkeiten erwerben.
Dr.-Ing. Horst-Dieter Branser, Weinstadt
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Jahrgang 2001
aus Miniaturbuch Journal, Heft 1, 8. Jahrgang Miniaturbücher durchkreuzten die Grenzen
Sammlerkreis Miniaturbuch e.V. Stuttgart 03. 08. .... Miniaturbücherspende
Sehr geehrte Frau Arüpina, vor wenigen Tagen fand unser Jahrestreffen anläßlich eines Buchmachermarktes statt. Verschiedene unserer Mitglieder sind unserer im "Miniaturbuch Journal" veröffentlichten
Bitte gefolgt und haben für Ihre Bibliothek Miniaturbücher gespendet. Ich habe die große Freude, Ihnen auf diesem Wege 18 Exponate als Erweiterung ihrer Miniaturbuch-Sammlung in der "Maxim-Gorki-Bibliothek"
überreichen zu können. Wir wollen damit nicht nur solidarische Verbundenheit, sondern auch etwas Völkerverständigung über das Genre Miniaturbuch pflegen. Wir hoffen sehr, daß damit Ihre Bibliothek einen weiteren
Anziehungspunkt bieten kann und Sie sowie die Sammlerfreunde in Odessa viel Freude beim Betrachten der Miniaturbücher haben werden. Freundliche Grüße gez. Heinz Müller
Staatlich- Wissenschaftliche Bibliothek "Maxim Gorki" Odessa 30. 10. .... Hochverehrter Herr Müller! Ihr Geschenk hat uns allen in der Bibliothek einen großen Eindruck
gemacht. Am "Tag der Bibliotheken", der alljährlich in der Ukraine am 30. September durchgeführt wird, wurden die Geschenke präsentiert, die die Bibliothek dieses Jahr erhalten hat. An dieser Präsentation hat
neben mir auch Semjon Kogan gesprochen, der ausführlich über die Geschichte der Beiträge der Miniaturbücher aus Stuttgart erzählte. Es gab auch Mitteilungen in derOdessaer Presse. Wir haben für Sie auch als Geschenk etliche
Miniaturbücher, die von unserer Bibliothek herausgegeben wurden und die wir nachschicken werden. Nochmals danken wir Ihnen und Ihren Mitgliedern. Hochachtungsvoll gez. L.W. Arüpina
Wochenzeitschrift "Das Wort"Odessa 29. 09. .... Geschenke durchkreuzten die Grenzen In der "Maxim-Gorki-Bibliothek" hat die vierte städtische
Miniaturbuchausstellung stattgefunden. Semjon Kogan hat von diesem Ereignis seinen Sammlerkollegen in Deutschland berichtet. Der deutsche Sammlerkreis Miniaturbuch veröffentlichte in seinem "Miniaturbuch Journal"
einen Bericht über unsere Sammlung und appellierte an seine Mitglieder, Bücher für die Bibliothek in Odessa zu spenden. Ende August erhielt unsere Bibliothek 18 sehr interessante Miniaturausgaben. Selbstverständlich, daß
wir alle diese Bücher noch nicht hatten, sie sind eine schöne Ergänzung unserer Sammlung. Wir werden mit Vergnügen die Kontakte mit den deutschen Miniaturbuch-Freunden erweitern. "Maxim-Gorki-Bibliothek"
L. Arüpina / Tatjana Schcurowa Übersetzung Semjon Kogan, Odessa
aus Miniaturbuch Journal, Heft 2, 8. Jahrgang Miniaturbücher - Buchkunst ganz besonderer Art
Miniaturbücher, diese kleinen und kleinsten Bücher gibt es seit vielen Jahrhunderten. In früherer Zeit hatten sie
zumeist religiöse Inhalte, doch hat sich das inzwischen weitgehend gewandelt; sie haben sich alle Bereiche der Literatur erobert. Entsprechend groß ist auch die Zahl ihrer Liebhaber und Sammler geworden, die sich in
mehreren Ortsgruppen als Sammlerkreis Miniaturbuch e.V. zusammengeschlossen haben. Dieser Sammlerkreis gibt vierteljährlich eine Zeitschrift heraus, die über die weltweiten Aktivitäten dieses Sammelgebietes informiert. Es
ist das seit dem Jahr 1994 erscheinende "Miniaturbuch Journal", bestens redigiert von Heinz Müller, dem Vorsitzenden des Sammlerkreises Miniaturbuch e.V. Stuttgart. Hier erfährt der Sammler und Liebhaber dieser
kostbaren Buchwinzlinge auch alles über Ausstellungen, Sammlerbörsen und Tauschabende, über Wettbewerbe und Neuerscheinungen. Über die Leidenschaft, Miniaturbücher zu sammeln, schreibt Heinz Müller im "Miniaturbuch
Journal": "Der Sammler kann Facharbeiter oder Angestellter, Student oder Regierungsdirektor, Redakteur oder Bildender Künstler, Arzt oder Musikwissenschaftler, Drucker oder Buchgestalter, Graphiker oder Buchbinder
sein - eines verbindet sie alle: sie haben sich auf Miniaturbücher spezialisiert. Mit großer Leidenschaft tragen sie ihre Objekte zusammen, denn Miniaturbücher zu sammeln, ist eine Faszination, die man nicht nur
oberflächlich pflegt. Miniaturbücher haben Anziehungskraft und Intimität. Sie begleiten Träumer in der Nacht, stapeln sich auf Schreibtischen, füllen alte Setzkästen, Regale und Vitrinen. Eine Sammlung von Miniaturbüchern
ist wie ein reizvoller, dekorativer, inhaltlicher und künstlerischer Magnet. Ja, der Sammler von Miniaturbüchern zählt zu den Insidern, er versteht etwas von seinem Sammelgebiet und gehört zu den Sehenden und wird deshalb
auch fündig, denn er hat Kenntnisse von dem, was er sammelt. Er ist bestens darüber informiert, daß manche Miniaturbücher nicht in den Buchhandel kommen sondern nur als Privatdrucke oder zu feierlichen Anlässen wie
Jubiläen, Olympischen Spielen oder Geburts- und Todestagen herausgegeben werden. Das Hobby des Sammelns erfreut und beruhigt, es läßt einen Teil unserer Freizeit sinnvoll erscheinen. Heute Miniaturbücher zu sammeln ist ein
kostbarer, beruhigender und erfreuender Ausgleich in einer Zeit, in der Mikroprozessoren, Tele- und Videospiele dem Menschen viel von seinen Träumen und Phantasien genommen haben."
»Bartkowiaks forum book art 2000/2001', 18. Ausgabe
aus Miniaturbuch Journal, Heft 3, 8. Jahrgang Das kleinste Buch der Welt
Das "Bilder ABC" von Josua Reichert, herausgegeben in dem Verlag Faber & Faber, Leipzig, ist das
kleinste Buch der Welt im Auflagendruck. Ein in Leder gebundener Buchblock hat die Maße von 2,4 x 2,9 mm. Josua Reichert stellte dafür ein fein geschnittenes, farbiges Alphabet zur Verfügung. Der Verlag hatte den Ehrgeiz,
die gesamte Produktion im Leipziger Raum zu organisieren. Die Firma grafotex reproduzierte die Vorlagen, Thomas Druck realisierte den Druck in hoher Präzision und die Kunst- und Verlagsbuchbinderei, Baalsdorf falzte im
Doppelnutzen und band die Bücher einzeln auf. Alle an der Produktion Beteiligten trugen die Idee des Verlegers mit, etwas zu fertigen, was eigentlich nicht geht. Man wollte den Beweis antreten, daß in der einstigen
Welt-Hauptstadt des Buches etwas hergestellt werden kann, das möglicherweise weltweit bewundert wird.
Dr. Horst-Dieter Branser, Weinstadt
Was ist ein Miniaturbuch?
Es ist ein richtiges Buch, gedruckt und gebunden, der Block darf jedoch maximal nur bis 100 mm groß sein. Miniaturbücher
können nach vier Größen-Kategorien unterschieden werden: 1. Die Daumenbücher, Midis oder Mignons, die 76 bis 100 mm groß und gut lesbar sind.
2. Die Miniaturbücher von 25 bis 76 mm (maximal 3 inches), die auch mit bloßem Auge lesbar sind. Es ist die gebräuchlichste Größe, vor allem im englischen Sprachraum.
3. Die Puppenhaus- oder Microbücher, die 10 bis 25 mm (maximal 2 inches) groß sind. Sie werden sehr geschätzt, weil sie in Puppen-Möbel passen.
4. Die Mini-Microbücher oder Winzlinge, die ein Format bis zu 10 mm haben. Sie sind meistens nur mit der Lupe lesbar, werden aber wegen der buchbinderischen Meisterleistung gesammelt.
Weitere wichtige Merkmale für Sammler sind u. a.: - die Arten der Einbände, maschinell-, klebe- oder faden- bzw. handgebunden, Einbände in Pergament, Leder, Gewebe, Pappe oder Karton; - die Ausstattung, wie Bünde, Kapitalband, Farbschnitt oder Goldschnitt, Prägung, gerundeter Rücken,
ästhetische und bibliophile Gestaltung; - die Auflagen, signiert oder numeriert, limitiert als Privatdrucke von 50 bis 250 Exemplaren oder in Massen-Auflagen;
- das Alter, aktuell, zeitgenössisch oder antiquarisch.
Die Bewertung der Miniaturbücher erfolgt nach Alter, Umfang, Format, Qualität des Einbandes, Seltenheit, Schönheit, Textinhalt,
Verleger-Image und Zustand. Der Phantasie, wie man eine Sammlung auf- und ausbaut, sind allerdings keine Grenzen gesetzt.
Heinz Müller, Stuttgart
Miniaturbuch-Sammler in Deutschland
Seit der Wende gab es in Deutschland nur noch die Freundeskreise Miniaturbuch in Berlin und Leipzig. Im Mai 1994 trafen sich in Lage-Hörste bei Bielefeld Sammler und Sammlerinnen aus den alten Bundesländern zur Gründung des Sammlerkreises Miniaturbuch e. V. Stuttgart. Heute ist der Sammlerkreis die größte Vereinigung von Sammlerinnen und Sammlern in Europa. In der letzten Mitgliederversammlung 2001 wurden zum Vorsitzenden Heinz Müller, Stuttgart, zu seinem Stellvertreter Dr. Ing. Horst-Dieter Branser, Weinstadt, zur Kassiererin Waltraud Müller, Karlsruhe, zum Schriftführer Bernd Heizmann, Pfinztal, und als Beisitzer Hermann Blanke, Birkenau, gewählt. Die Revisoren kommen aus Birkenau, Böblingen und München. In den vergangenen acht Jahren bis heute wurde ein reichhaltiges Programm geleistet:
- 168 Zeitungen, Bücher, Zeitschriften und Agenturen aus dem In- und Ausland, 3 Radiosendungen, ein Kongreßvideo und eine
Landesschau sowie 4 verschiedene Internet-Adressen berichteten oder informierten über die Miniaturbuch-Sammler.
- 8 kleinere Ausstellungen wurden gezeigt, aber auch eine große "Ausstellung Miniaturbücher" mit etwa 450 Exponaten aus über 28 Ländern war
7 Wochen im Gutenberg-Museum Mainz (1997), 6 Wochen in der Stadtbibliothek Karlsruhe (1997), 7 Wochen in der Stadtbibliothek Duisburg (1998),
5 Wochen in der Stadtbücherei Fellbach (1999) und 14 Wochen im Deutschen Schloß- und Beschlägemuseum Velbert(Oktober 1999 - Januar 2000) zu sehen.
- 8 Mitgliederversammlungen, 3 Miniaturbuch-Auktionen, 8 interne Tauschbörsen und 24 Öffentliche Miniaturbuch-Märkte wurden durchgeführt.
- Die Zeitschrift "Miniaturbuch Journal" wird vierteljährlich mit bisher 31 Heften herausgegeben, sie ist mit ISSN 0947-2258
international registriert, erreicht außer den Mitgliedern auch andere Sammlerinnen und Sammler sowie Verlage, Vereinigungen,
Antiquariate und Bibliotheken sowie Museen im In- und Ausland. Sie ist die einzige Fachzeitschrift in Europa und wird gelesen in
Deutschland, Frankreich, Japan, Niederlande, Österreich, Rußland, Slowenien, Tschechien, Ukraine, Ungarn und in den USA.
- 8 Miniaturbücher und -Broschüren, ein Beutelbuch und ein Pergamentband mit Hinterpergamentmalerei wurden in Sonderausstattungen herausgegeben. - Die Edition SK-Miniaturbuch wurde aufgelegt:
Band 1 "Miniaturbuch Exlibris" mit Nachdrucken. Band 2 "Miniaturbuch Seidenaquarelle" mit höherer Auflage und 6/10 Original-Aquarellen.
Band 3 "Miniatur-Schmunzelbuch" mit exklusiven Zeichnungen. Band 4 "Wilhelm-Busch-ABC", das Faksimile einer exklusiven Handschrift.
Band 5 "Mixtum compositum". Für Mitglieder wird jeweils eine Exklusivausgabe angeboten.
- Mit einem eigenen Informations-Stand war der Sammlerkreis in Allmendingen (3), Berlin (5), Bielefeld (2), Fellbach, Günzburg,
Karlsruhe (6), Kirchberg/Jagst, Landau (3), Leipzig (3), Mainz (3) und bei der 13. - 16. MainzerMini-PressenMesse, in Michelstadt,
Mosbach (3), Rheinhausen (2), Stuttgart (2), Velbert(3), Waiblingen (3), Wien und Würzburg vertreten.
- Mitglieder und Interessenten treffen sich in Karlsruhe halbjährlich und in Stuttgart vierteljährlich zum Stammtisch und Tauschabend.
- Der Sammlerkreis und einige seiner Mitglieder haben Bibliographien und Verzeichnisse über Miniaturbücher als Privatdrucke herausgebracht:
"Bibliographie Hyperion Verlag, Die kleine Jedermannsbücherei, Feldpostausgaben, und Hyperion-Bücherei 1920 - 1995", "Die Repetitions-Bibliothek 1892 - 1896",
"5 Jahre 1994 - 1998 Miniaturbuch Journal", "Kleine Bibliothek vom Verlag C. Bange, Leipzig 1899 - 1938",
"Liliput-Bücherei - Liliput-Klassiker" 1907 - 1925, "Miniatur-Broschüren des Winterhilfswerkes WHW/KWHW u. a. 1937 - 1944",
"Miniaturbücher der Bundesrepublik Deutschland 1949 - 1990" in drei Bändchen, "Miniaturbücher - Eine Miniaturgeschichte ihrer Kultur" - in Vorbereitung,
"Miniaturbücher in der Publizistik". - Für Sammler von Miniaturbüchern führen Mitglieder die Archive: Archiv über Miniaturbücher, Stuttgart;
Archiv über deutsch-sprachige Miniaturbücher, Stuttgart; Archiv über Herausgeber deutsch-sprachiger Miniaturbücher, Kiel und Archiv über deutsch-sprachige Miniaturbuch-Reihen, München.
- Es wurde eine ständige Jury "Schönstes Miniaturbuch Deutschlands 20.." mit dem Sitz in Berlin berufen. Die Wirksamkeiten für
das Miniaturbuch orientieren sich an der Satzung, die folgende Ziele aufweist: - die Pflege der Buchkunst; - das Interesse an Miniaturbüchern anzuregen und zu fördern;
- Gedanken-, Ideen- und Informations-Austausch zu pflegen; - Tausch und Erwerb von Miniaturbüchern zu unterstützen;
- mit nationalen und internationalen Vereinigungen zusammenzuarbeiten (Kontakte mit Berlin, Budapest, Canada, Estland,
Frankreich, Großbritannien, Israel, Japan, Jugoslawien, Leipzig, Lettland, Niederlande, Rußland, Slowenien, Tschechien, Ukraine, Ungarn, USA und Weißrußland).
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Daumenkinos – das “Kino der armen Leute”
Von Robert Pfeiffer, Brüssel
Schon um 1900 waren die Kinder davon begeistert. Die Rede ist von Daumenkinos und ihrem Sammler Robert Pfeiffer, der uns einige interessanten Stücke vorstellt. In Frankreich nennt man sie “Feuilleteurs”, in den
Vereinigten Staaten von Amerika “Flip-Books” oder auch “Fingertip Movies”. Es geht um eine gebundene Serie von Fotos oder Zeichnungen, die beim Durchblättern eine Bewegung darstellen. Die
bekanntesten Flip-Books wurden vom Pariser Warenhaus Au bon Marché herausgeben; sie sind aber auch sehr selten. Man kann eines aus dieser Reihe im Musée du Cinéma in Brüssel betrachten. Ebenso berühmt sind die Flip-Books aus den dreißiger Jahren, in denen Fred Astaire und Ginger Rogers zur Melodie Cheek to Cheek tanzen. Daß solche Daumenkinos durchaus ihren Preis haben können, zeigte sich bei einer Auktion von Sotheby’s, wo eine Ausgabe zu Ehren des Baseballspielers Babe Ruth auf 1.500$ geschätzt wurde. Die Entstehung dieser Büchlein verbindet sich mit der Geschichte der Brüder Skladanowsky, die im Berliner Wintergarten im Jahre 1895 erstmals “lebende Photographien” vorführten. Die Brüder hatten etwa drei Meter lange Filmstreifen in Einzelbilder zerschnitten, legten sie aufeinander und ließen sie mit dem Daumen abblättern.
Dieser “Taschenkinematograph” wurde so ein großer Verkaufserfolg, daß die Brüder daraus den Kauf eines Projektors finanzieren konnten, mit dem sie ihre Filme dann auch einem größeren Publikum vorführen konnten.
Baseball
Aber noch einmal zu dem Sotheby’s-Büchlein. Auf der Antiquariatsmesse im Brüsseler Straßenbahnmuseum an der
Tervuerenallee entdeckte ich vor einiger Zeit mit großer Freude ein doppeltes Flip-Book des selben Themas. Zu einem erschwinglichen Preis konnte ich meine Sammlung so um ein besonders interessantes Stück erweitern. Zum einen ist ein doppeltes Flip-Book selten, zum anderen ist das Thema ungewöhnlich: Signals. The secret language of Baseball. Das Büchlein zeigt die Bewegungen eines Baseballspielers, die seinen Mitspielern die Taktik verraten sollen, wie der Punkt gemacht werden kann. Dazu
gibt es komplizierte technische Erläuterungen. Ein faszinierendes Büchlein, herausgegeben 1957 von The Gillette Company Boston, Mass. (USA), doch wie kommt es nach Belgien, wo
man hier doch gar kein Baseball spielt?
Das königlich belgische Filmarchiv hat anläßlich seines 50jährigen Bestehens 1988 ein Taschenkino mit Zeichnungen von Alechinsky herausgegeben. Format 90 x 120 mm, das ist etwas größer als die üblichen Büchlein, zeigt es uns
die Fortbewegung eines Bösewichts entlang eines Filmstreifens. Dieses kleine Kunstwerk wird an der Kasse des Musée du Cinéma noch immer zu einem Spottpreis von 10 DM verkauft. Der deutsche Verlag Taco, Berlin, hat 1988 eine
Reihe von Daumenkinos unter dem Titel Marsupilami-Mini-Movie herausgebracht, die die Zeichentrickkunst von Franquin zeigen. In griffigem Format (70 x 110 mm) und herrlichem Farbdruck
erschienen, scheinen diese Büchlein jedoch nicht den verdienten Erfolg gehabt zu haben, denn sie wurden in Frankreich wie in Belgien zu Billigpreisen verkauft – zur großen Freude der Sammler.
Erotik
Ein weiterer deutscher Verlag, die Firma Harlekin Geschenke in
Wiesbaden, gibt eine andere Art von Flip-Books heraus. Sie sind erotisch, ohne pornographisch zu sein, wie der New York Strip (35 x 100 mm) mit
Farbeinband, aber schwarzweißen Bildern. Ein Glamour-Girl legt vor New Yorker Kulisse sein Gummikleid in 85 Fotos ab, bis es ganz nackt ist. Der bekannte Autor Loriot hat den Schweizer Diogenes Verlag zu einer Ausgabe
inspiriert, die das Gesicht des Komikers in allen Regenbogenfarben während eines Fußballspiels zeigt Loriots Fußball-Fieber. Der französische Verlag Rackham Productions
hat eine Episode von Little Nemo von Winsor Mac Kay im Format 65 x 105 mm in Schwarzweiß, doppelseitig neu aufgelegt. In der gleichen Reihe findet man auch Zeichnungen von Moebius und Riff Reb’s wieder.
Die amerikanische Firma Merrimack Publishing Corporation hat mit der 1984 erschienen Ausgabe der Premier Danseuse wieder an die Tradition des Daumenkinos angeknüpft. In einem sehr handlichen Format (80 x 35 mm) zeigt uns dieses Flip-Book die Pirouette einer Tänzerin in 45 Bildern. Dieselbe Firma stellte 1986 ein Büchlein vor, das die Bilder des Weltrekords von Don Patch 1906 im Meilen-Traber-Derby zeigt, und zwar nach einem Original-Album, herausgegeben von The Winthrop Moving Picture. Ein spannendes Büchlein im Format 65 x 70 mm. Auf der Rückseite jedes Fotos findet man amüsante Werbegags für die International Stock Food Factory, die den Rekord-Versuch gesponsert hat.
Aufzieh-Mäuse
Das amerikanische Unternehmen B. Shackman & Co. aus New York erfand das mechanische Flip-Book mit dem Album von Matthew
Mayer, das in 50 Schwarzweiß-Zeichnungen (75 x 60 mm) zwei mechanische Aufzieh-Mäuse zeigt. In dem Büchlein The Cat and the Butterfly zeigt uns derselbe Autor, wie eine prächtige Katze versucht, einen Schmetterling zu fangen.
Für Daumenkinos verwendet wurden auch die Aufnahmen von Edward Muggebridge.1830 geboren, emigrierte er später in die USA, wo er seinen Namen verändert und zum Photographen Muybridge wird. Berühmt wird er durch die
Aufnahme eines Pferdes im Galopp, und zwar genau in dem Moment, wo kein Huf des Tieres den Boden berührt. Die Firma Optical Toys, USA, hat mehrere Foto-Serien von Muybridge in schönen 100 x 50 mm großen Büchlein
veröffentlicht.Man sieht darin ein Tanzpaar, eine leicht bekleidete Frau, die Seil springt, eine andere, die mit einem Satz über einen Barhocker hüpft, und einen friedlichen Elefanten, der sein schweres Gewicht mit
majestätischem Schritt trägt. Jedem Album ist ein Büchlein mit Erklärungen beigefügt. Diese Serie findet man oft in Spezialgeschäften oder Museen. Ebenso bietet die Firma ein seltenes Album im Format 65 x 80 mm an, das
man als Geburtsanzeige verwenden kann, da es das Wachsen des Bauches der künftigen Mutter im Verlauf der neunmonatigen Schwangerschaft zeigt.
Surrealismus
Belgien ist das Land des Surrealismus. Deshalb hat der belgische Verein der Bibliothekare und Bücherfreunde ein Album auf den
Markt gebracht, dessen Thema Salvador Dali oder Magritte sicher gut gefallen hätte: Das erste Bild zeigt ein solide gebundenes Buch, das mit einem Staubwedel abgestaubt wird. Im Verlauf der Bilder wird es so lange
und gründlich abgestaubt, bis das ganze Buch zum Schluß nur noch ein Häuflein Staub ist. Zum 100. Jahrestag des Kinos hat ein junger Pariser Verleger (D. D. Productions, Paris) es gewagt, eine Reihe von Daumenkinos zu
Ehren der Pioniere des Films herauszugeben. Die Kollektion umfaßt vier Bände mit je drei Büchlein im Format 100 x 60 mm in Schwarzweiß-Druck. Zwei Bände sind den Wegbereitern des Kinos, Emile Cohl und Ferdinand Zecca
gewidmet. Ein dritter Band ist eine Hommage an Etienne-Jueles Marey und der vierte Band beinhaltet Werke der französischen Firma Gaumont. Jeder Band enthält ein Heft mit umfassenden Erläuterungen. Im ganzen sind es zwölf
Flip-Books in Schwarzweiß, in sehr gutem Druck, die den Sammler faszinieren werden. 1938 gab Collins ein großartiges Werk mit zehn Büchlein und 2000 Bildern heraus, das Donald Duck gewidmet ist. Diese Daumenkinos waren
für Kinder bestimmt. Das erklärt ihre Seltenheit, denn sie wurden stark beansprucht, verschmutzt, zerrissen und landeten dann im Mülleimer. Ebenso selten sind pornographische Daumenkinos, die ihre Besitzer wohl so oft
durchgeblättert haben, daß sie bald völlig zerlesen waren.
Fotos Robert Pfeiffer,
Übersetzung Johanna Klinger.
Aus “Sammler Journal” 12/95
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